In diesen Tagen wird die Anklage im Prozess gegen Präsident Miloevic nach über zwei Jahren ihre Beweiserhebung beenden. Hierzu:
Schreiben von Ramsey Clark an die Vereinten Nationen
Der ehemalige Justizminister der USA und internationale Menschenrechtsanwalt fordert die Abschaffung aller ad hoc-Tribunale, eine unabhängige Überprüfung des Verfahrens gegen Präsident Miloevic und, unabhängig davon, die Bereitstellung von Mitteln an ihn für eine angemessene Entgegnung auf die Anklage um der historischen Wahrheit willen.
(12. Februar 2004)
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Ramsey Clark, Co-Präsident des Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Miloevic (ICDSM), zieht in seinem Schreiben an die UN Bilanz: "Über 500.000 Seiten Dokumente und 5000 Videokassetten wurden als Beweismittel vorgelegt. Es gab etwa 300 Verhandlungstage. Über 200 Zeugen haben ausgesagt. Das Verfahrensprotokoll umfasst annähernd 33.000 Seiten. Es ist der Anklagevertretung nicht gelungen, erhebliche oder zwingende Beweise für irgendeine strafbare Handlung oder Absicht von Präsident Miloevic vorzulegen. Mangels belastender Beweise hoffte die Anklagevertretung offenbar, einen so massiven Rekord aufzustellen, dass es Jahre dauern würde, falls überhaupt jemand sich die Mühe machen würde, bis Wissenschaftler das Beweismaterial prüfen und analysieren können, um festzustellen, ob es eine Verurteilung trägt." Es gibt also, wie aus dem Schreiben von Clark hervorgeht, eigentlich gar keine Anklage. Es gibt nur ein vorgefasstes Bild des Westens von den Ereignissen auf dem Balkan in den 90er Jahren. Das soll mit der schieren Eindruck schindenden Masse des Haager Prozessmaterials verteidigt werden. Für manchen Gehirngewaschenen - auch in der Friedensbewegung - überraschend, bewertet Clark die Rolle von Miloevic so: "Während des ganzen Krieges gab es keinen mehr zum Kompromiss bereiten politischen Führer als Präsident Miloevic, der die volle Entfesselung des Krieges verhinderte, als Slowenien, Kroatien, Bosnien und Mazedonien sich von der Bundesrepublik lostrennten. Hinsichtlich seiner späteren Verteidigung des auf Serbien und Montenegro reduzierten Jugoslawiens wird er in Erinnerung bleiben wegen der Kompromisse, die er in Dayton, Ohio, einging und später, um die US-Bombardements von März bis Juni 1999 zu beenden. In seinem Verhalten lag die Absicht des Friedens und des Überlebens einer Kernföderation von Südslawen, die eines besseren Tages den Samen für eine größere Föderation von Balkan-Staaten legen würde, die für den Frieden, die politische Unabhängigkeit und die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Region von entscheidender Bedeutung ist. Die USA und andere beabsichtigten etwas anderes."
Der Miloevic-Prozess ist eine Travestie
Die politische Notwendigkeit gebietet, dass der ehemalige jugoslawische Präsident für schuldig befunden wird - selbst wenn die Beweislage dies nicht hergibt.
Von Neil Clark
Aus: "The Guardian" (London) v. 12. Februar 2004
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Neil Clark ist Autor und Balkan-Spezialist. Bevor er ein eigenes Transportunternehmen gründete, war er 30 Jahre lang Logistik-Offizier der Armee, als solcher am Aufmarsch auf dem Balkan beteiligt und erster Logistik Offizier in Bosnien. Zu Beginn des Miloevic-Prozesses schrieb er in einem Artikel im "Guardian" (v. 11.02.02) über seinen ersten Besuch in Belgrad im Jahre 1998: "Als unrekonstruierter Sozialist, völlig außer Tritt mit dem Zeitgeist, hatte ich in den 90er Jahren die meiste Zeit mit dem Versuch zugebracht, mich, so gut ich konnte, nach einem Ort davon zu stehlen, wo es immer noch 1948 war. Man stelle sich also meine Freude vor, als ich in Belgrad ankam und eine Stadt vorfand, die auf wundersame Weise all den Schrecken der globalen Verschmutzung entgangen war. Buchläden, Selbstbedienungsrestaurants, staatliche Apartmenthäuser in Fülle: Ein Spaziergang entlang der städtischen Boulevards erinnerte einen an eine britische Hauptstraße in den späten 60er Jahren. Meine Freude verwandelte sich in Begeisterung, als ich beim Betreten eines Buchladens in der Auslage an auffallender Stelle ein Exemplar des klassischen Bandes "Argumente für den Sozialismus" von Tony Benn sah. Welch ein wirklich wundervoller Ort Belgrad doch war! Und doch war ich in der Hauptstadt eines Staates, der gewöhnlich als ´Pariah´-Staat Europas galt, und dessen Führer, ein gewisser Slobodan Miloevic, in den westlichen Medien routinemäßig als der Saddam Hussein von Europa abgetan wurde."
Zur Charakterisierung des Politikers Miloevic schrieb Neil Clark vor zwei Jahren, er sei, "ein sturer, verdammter ´alter´ unrekonstruierter Sozialist". "Deshalb haben die neuen Parteien der Designer-´Linken´ Europas ihn so gnadenlos bis nach Den Haag verfolgt. Slobo ist genau die Art von osteuropäischem Führer alten Stils, die viele von ihnen in ihren Studententagen verteidigt haben würden. Ironischer Weise ist es in politisch korrekten Kreisen immer noch hinnehmbar, Titos Jugoslawien zu preisen, das wirklich ein Einparteienstaat war, aber Miloevics Jugoslawien, wo mehr als 20 Parteien sich frei betätigen können, gilt als gänzlich jenseits des Erlaubten. Hätte Miloevic sein Land an die Multis verkauft, hätte er ehrerbietig um die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und in der Nato angestanden und wäre ein westlicher Ja-Sager geworden, dann hätte er freie Hand gehabt, seinen eignen ´Krieg gegen den Terrorismus´ zu führen."
Zwei Jahre nach Prozessbeginn kommt Neil Clark zu demselben Ergebnis wie Ramsey Clark: "Viele Zeugen der Anklage wurden als Lügner bloßgestellt - so wie Bilall Avdiu, der behauptete, in Racak "etwa ein halbes Dutzend verstümmelte Leichen" gesehen zu haben, auf dem Schauplatz der umstrittenen Tötungen, welche den US-geführten Kosovo-Krieg auslösten. Gerichtsmedizinische Beweise bestätigten später, dass keine der Leichen verstümmelt war. Insider, die, wie uns gesagt wurde, alles über Miloevic ausplaudern würden, erwiesen sich als nichts dergleichen. Rade Markovic, der ehemalige Leiter des jugoslawischen Geheimdienstes, sagte am Ende zu Gunsten seines ehemaligen Chefs aus und sprach davon, dass er anderthalb Jahren "des Drucks und der Folter" unterworfen worden war, um eine von dem Gericht präparierte Erklärung zu unterzeichnen. Einem anderen "Insider", Ratomir Tanic, wurde nachgewiesen, im Sold des britischen Geheimdienstes gestanden zu haben." "Im Falle des schlimmsten Massakers - von zwischen 2000 und 4000 Männern und Jungen in Srebrenica im Jahre 1995 - , für das Miloevic wegen Mittäterschaft angeklagt worden ist, hat die Mannschaft von Del Ponte nichts zutage gefördert, was das Urteil der von der niederländischen Regierung in Auftrag gegebenen fünfjährigen Untersuchung entkräftet hätte, die zu dem Ergebnis kam, es gebe, "keinen Beweis, dass Befehle für das Gemetzel von serbischen politischen Führern in Belgrad kamen".
Es sei bemerkenswert, meint Clark, dass nur eine westliche Menschenrechtsorganisation, die British Helsinki Group, Bedenken geäußert habe. "Richard Dicker, der Prozessbeobachter von Human Rights Watch, erklärte sich selbst ´beeindruckt´ von der Sache der Anklage. Zyniker könnten sagen, dass angesichts des Umstands, dass, George Soros, der Förderer von Human Rights Watch, das Tribunal finanziert, von Dicker nichts anderes zu erwarten ist. Judith Armatta, eine US-amerikanische Rechtsanwältin und Beobachterin für die Coalition for International Justice (eine andere Soros-finanzierte NGO) geht noch weiter und freut sich hämisch, dass "wenn das Urteil ergeht, und er in seiner Zelle verschwindet, niemand mehr von ihm hören wird. Er wird aufgehört haben, zu existieren." So viel zu der schönen alten Vorstellung, dass der Zweck eines Verfahrens darin bestehe, Schuld festzustellen. Für Armatta, Dicker und ihre Hintermänner scheint es, dass Milsovevic schon dadurch schuldig ist, dass er angeklagt wird."
Noch ist Serbien nicht verloren
Von Werner Pirker
junge Welt v. 07.02.2004
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Werner Pirker beschreibt die Bedeutung von Miloevic in Den Haag für die serbische Innenpolitik: "Die strategische Initiative in der serbischen Politik liegt nun eindeutig bei Vojislav Kostunica.(...) Verständlich, daß sich (seine Partei) die DSS eine Neuauflage des »demokratischen Bündnisses« nicht mehr antun will und die Tolerierung einer von ihr geführten Regierung durch die Sozialisten einer Koalition mit den Djindjic-Nachfolgern vorzieht. Zumal eine gewisse Einbindung der SPS in das System diese noch zahmer machen würde, als sie es ohnehin schon ist. Deren führenden Kadern steht der Sinn sowieso nicht nach einer entschiedenen nationalen und sozialen Opposition gegen die neoliberale Kapitalisierung. Obwohl die Kostunica-Strategie auf eine Stabilisierung des Kapitalismus in Serbien zielt, werden die internationalen Finanzorganisationen sowie EU und USA dies nicht zu würdigen wissen. Denn selbst in dieser Konstellation steckt eine Spur von Auflehnung gegen die imperialistische Weltordnung, ein Element serbischer Eigenständigkeit. »Mit Kostunicas Hilfe«, schreibt Rathfelder, werde die SPS »peu à peu rehabilitiert. Genau wie Miloevic selbst«. Eben das darf nicht passieren. Immerhin war es Slobodan Miloevic, der die Sozialisten als ihr Spitzenkandidat aus der Ferne anführte. Auch wenn so mancher Parteiführer die »Hypothek Miloevic« gerne loswerden würde: Massenwirksamkeit erzielt die SPS alleine aus dem Charisma des Helden von Den Haag. Die Parlamentswahlen haben gezeigt, daß es in Serbien eine strukturelle Mehrheit aus (gemäßigten und radikalen) Nationalisten und Linken gibt. Daß diese in der Regierungsbildung - als Koalition der DSS mit Radikalen und Sozialisten - ihren Ausdruck fände, untersagen die demokratiepolitischen Vorgaben der westlichen Führungsorgane. Allein die Andeutung einer solchen Möglichkeit würde die NATO in höchste Alarmbereitschaft versetzen"
Rückkehr durch die Hintertür
Miloevics Sozialisten sind wieder zum politischen Faktor in Serbien geworden
Von Michael Martens
FAZ v. 13.02.2004
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Michael Martens von der FAZ spekuliert ganz im Interesse der imperialistischen Machthaber auf dem Balkan über eine Spaltung von Miloevics Sozialistischer Partei Serbiens: "Ivica Dacic, der als Vorsitzender des Exekutivausschusses der Sozialisten die Partei in Miloevics Abwesenheit führt, will offenbar die Gunst der Stunde zu nutzen versuchen, indem er sich im kleinen Kreise als "Reformer" gibt, der die Partei von ihrer sinistren Überfigur befreien will. Immerhin befindet sie sich tatsächlich nicht mehr unter der völligen Kontrolle ihres inhaftierten Chefs. Dessen Ansinnen, die besonders treuen Genossen von der Gruppierung "Sloboda" (Freiheit) zu Abgeordneten zu machen, ignorierte die Parteiführung um Dacic. Das Ziel der Aktivisten von "Sloboda" ist die "Befreiung" Miloevics aus Den Haag. Allerdings weiß auch Dacic, daß die Sozialistische Partei ihren bescheidenen Erfolg nicht sich selbst, sondern ihrem "Erfinder" Miloevic zu verdanken hat. Ihm galten die fast 300 000 Stimmen serbischer Wähler im Dezember, nicht der Partei, die zu Miloevics Herrschaftszeiten nie mehr als ein Instrument im Werkzeugkasten seines Systems war. Sollte es zu einer Parteispaltung kommen und sollte der über den unbotmäßigen Dacic verärgerte Miloevic bei kommenden Wahlen seine politischen Resozialisierungshelfer von "Sloboda" unterstützen, versänke die Sozialistische Partei Serbiens wohl in der Bedeutungslosigkeit."
Noch ein Hinweis:
Del Ponte in der Kritik ihrer Hintermänner
Das Erstarken der serbischen Nationalisten und Sozialisten ist auch der Hintergrund für eine Kritik am Arbeitsstil von Del Ponte aus dem publizistischen Umfeld der Auftraggeber des Tribunals, jedenfalls soweit diese europäische Kapitalinteressen auf dem Balkan vertreten. "Die Chefanklägerin trübt die serbischen Gewässer" betitelt Misha Glenny seinen Artikel in International Herald Tribune v. 17. Feb. 04, der hier nur kurz referiert wird. Glenny war früher BBC-Korrespondent in Wien und ist seit 2002 Direktor von SEE Change 2004, einer "gemeinnützigen" Einrichtung in Großbritannien, die den Balkan für Auslandsinvestitionen aus der EU öffnen und das südosteuropäische Arbeitskräftepotential für westeuropäische Unternehmen nutzbar machen will, wie Glenny, Mitglied des Weltwirtschaftsforums, nach seiner Ernennung der griechischen Zeitung Kathimerini anvertraute. Glenny macht seinen Artikel mit der Information auf, dass Carla Del Ponte letzte Woche erklärt habe, dass "Belgrad ein sicherer Zufluchtsort für Fahndungsflüchtlinge geworden sei. Selbst Radovan Karadzic, der vom Tribunal angeklagte ehemalige bosnische Serbenführer, habe nun Zuflucht in der serbischen Hauptstadt gefunden." Für ihre dramatische Behauptung habe sie keinerlei Beweise geliefert, außer dass sie aus einer vertraulichen Quelle stamme. In dem Artikel beschwert sich ein "westlicher Geheimdienstoffizier", dass Del Ponte "mehrmals" eine Operation zur Ergreifung von Karadzic ruiniert habe, indem sie begann, "auf und ab zu springen und zu schreien: ´Ich sehe ihn! Ich sehe ihn!´" Und jedes Mal, wenn Del Ponte solche Behauptungen aufstelle, warne die serbische Regierung, "dass dies das Wiedererstarken der Radikalen fördere." Großbritannien und die Vereinigten Staaten hätten bereits in vertraulichen Gesprächen mit Del Ponte und "ihren Arbeitgebern bei den Vereinten Nationen" ihre Besorgnis geäußert. Es gebe jetzt Anzeichen, dass auch andere Regierungsvertreter in der EU "über die Auswirkungen von Del Ponte auf die regionale Stabilität" auf dem Balkan besorgt seien. Natürlich fordere er nicht den Rücktritt der Chefanklägerin, erklärt Glenny unterschwellig drohend, dass er als Vertreter europäischer Kapitalinteressen auf dem Balkan dies sehr wohl tun könne. Natürlich stelle er nicht "die bedeutende Leistung des Tribunals" in Frage. Nur möge Del Ponte mehr auf "ihren Arbeitsstil und seine Auswirkungen auf Südosteuropa" achten.
Und schließlich:
Die Verteidigung von Slobodan Miloevic braucht dringend Spenden